Dokument #1242666
Amnesty International (Autor)
Amtliche Bezeichnung: Hellenische Republik
Staatsoberhaupt: Karolos Papoulias
Regierungschef: Antonis Samaras (löste im Juni Panagiotis Pikrammenos im Amt ab, der im Mai Loukas Papadimos abgelöst hatte)
Vorwürfe über Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei wie Folter und exzessive Gewaltanwendung hielten das ganze Jahr über an. Migranten und Asylsuchende sahen sich Behinderungen bei der Einreichung ihrer Asylanträge gegenüber und wurden oft unter Bedingungen in Haft gehalten, die nicht den internationalen Standards für die Behandlung von Gefangenen entsprachen. Rassistisch motivierte Übergriffe eskalierten in dramatischer Weise.
Die griechische Wirtschaft befand sich in der Krise. Die Arbeitslosigkeit erreichte im Oktober 26,8%. Weitere Sparmaßnahmen wurden unter Protesten in Athen und anderen Städten im Februar und November vom Parlament bewilligt. Im Mai stellte der Europäische Ausschuss für soziale Rechte fest, dass die Gesetzgebung zu den Sparmaßnahmen, die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst betrafen, gegen verschiedene Vorgaben der Europäischen Sozialcharta verstößt.
Chrysi Avgi (Goldene Morgendämmerung), eine rechtsextreme Partei mit aggressiv migrantenfeindlicher Rhetorik, erhielt bei den Parlamentswahlen im Juni 18 von 300 Sitzen.
Es kam weiterhin zu Vorwürfen gegen die Polizei wegen der exzessiven Gewaltanwendung bei Demonstrationen.
Die Vorwürfe über Folter und andere Misshandlungen von gefährdeten Gruppen wie Migranten und Asylsuchenden in Hafteinrichtungen für Zuwanderer hielten an. Strukturelle Probleme, die dazu führten, dass solche Taten straffrei blieben, bestanden auch 2012 fort, so z.B. das häufige Versagen der Behörden bei der Durchführung umgehender, umfassender und unparteiischer Untersuchungen und der Gewährleistung wirksamer Rechtsmittel. Im Januar stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fest, dass die Vergewaltigung eines Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus mit einem Stock durch einen Beschäftigten der Küstenwache im Jahr 2001 (Zontul gegen Griechenland) mit Folter gleichzusetzen sei. Im August stellte der UN-Menschenrechtsausschuss fest, dass Griechenland die Beschwerde eines griechischen Roma wegen Misshandlung und Diskriminierung durch die Polizei im Jahr 1999 (Katsaris gegen Griechenland) nicht untersucht hatte.
Trotz Berichten über Verbesserungen im Bereich der Berufungsverfahren von Asylanträgen machte Griechenland kaum Fortschritte bei der Einrichtung eines fairen und wirksamen Asylverfahrens. Ende des Jahres hatte der neue Asyldienst aufgrund ernster Rekrutierungsprobleme noch nicht damit begonnen, Asylanträge zu bearbeiten. Die Behinderungen, denen sich Asylsuchende gegenübersahen, wenn sie versuchten, Asylanträge einzureichen, bestanden 2012 fort. So wurden z.B. in der Ausländerabteilung der Polizeidirektion Attika jede Woche nur etwa 20 Anträge entgegengenommen.
Personen, die Griechenland von der Türkei aus über den Fluss Evros zu erreichen versuchten, berichteten, dass sie von den griechischen Behörden in die Türkei zurückgedrängt wurden. Im Dezember wurde entlang der Grenze zur Türkei in der Region Evros ein 10,5 km langer Zaun fertig gestellt. Es bestand die Sorge, dass er Menschen, die internationalen Schutz suchen, daran hindern würde, in Sicherheit zu gelangen, was sie veranlassen könnte, unsichere Grenzüberquerungen zu versuchen.
Asylsuchende und Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus, darunter auch unbegleitete Kinder, wurden routinemäßig und über lange Zeiträume hinweg inhaftiert. Im April 2012 wurde eine neue gesetzliche Regelung eingeführt, die es ermöglichte, Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus und Asylsuchende aufgrund des Verdachts auf ansteckende Krankheiten wie HIV zu inhaftieren. Das polizeiliche Vorgehen gegen Migranten, das im August begann, ließ Besorgnis über die Diskriminierung von Personen aufgrund ihrer vermuteten ethnischen Herkunft aufkommen und befürchten, dass dies Fremdenfeindlichkeit fördern würde.
Im Oktober ermöglichte eine Zusatzbestimmung der Gesetzgebung zum Asylanerkennungsverfahren der Polizei, die maximale Dauer von drei bzw. sechs Monaten, die Asylsuchende festgehalten werden können, um weitere zwölf Monate zu verlängern. Die schlechten Haftbedingungen in mehreren Hafteinrichtungen für Einwanderer sowie Polizeistationen, in denen Asylsuchende und Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus festgehalten wurden, bestanden fort. Die Bedingungen in der Elliniko-Hafteinrichtung in Athen waren unmenschlich und erniedrigend. Von August bis zum Jahresende wurden viele Asylsuchende und Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus, darunter zahlreiche syrische Staatsangehörige, die vor dem Konflikt in Syrien geflohen waren, Berichten zufolge unter sehr schlechten Haftbedingungen auf Polizeiwachen festgehalten oder waren obdachlos.
Hassverbrechen
Die Zahl rassistisch motivierter Angriffe stieg 2012 in dramatischer Weise an. Im Oktober berichtete das Netzwerk zur Kontrolle rassistischer Gewalt (Racist Violence Recording Network), dass über die Hälfte der 87 verzeichneten Vorfälle mit rechtsextremen Gruppen in Verbindung standen, die organisiert und geplant vorgegangen waren.
Im Dezember 2012 wurde ein Präsidialerlass unterzeichnet, der in Athen und Thessaloníki die Schaffung spezieller Polizeieinheiten zur Untersuchung rassistisch motivierter Verbrechen vorsieht. Der Erlass enthielt jedoch keine Bestimmungen zum Schutz von Opfern ohne Papiere vor Festnahme und Abschiebung während der Dauer der Strafverfolgungsverfahren.
Menschen mit HIV/Aids
Im Mai 2012 nahmen die griechischen Behörden mehr als 100 vermeintliche Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen fest und unterzogen sie Berichten zufolge zwangsweise einem HIV-Test. Ernste Bedenken wurden wegen der Stigmatisierung von 29 der Festgenommenen geäußert, nachdem ihre persönlichen Daten, darunter ihr HIV-Status und ihr Foto, von der Polizei veröffentlicht worden waren und gegen sie Anklage wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung erhoben wurde. Ende des Jahres 2012 befanden sich zwölf der Frauen in Erwartung ihres Gerichtsverfahrens weiterhin in Haft.
Roma
Laut Angaben der NGO Greek Helsinki Monitor wurden Roma-Kinder nach wie vor getrennt von anderen Kindern unterrichtet oder ganz vom Bildungssystem ausgeschlossen. Darüber hinaus wurden Roma-Familien aus ihren Siedlungen vertrieben oder waren von Zwangsräumung bedroht, ohne dass man ihnen alternative oder angemessene Ersatzunterkünfte zur Verfügung stellte.
Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI)
Im November 2012 berichteten LGBTI-Aktivisten, dass Vorfälle homophober Gewalt in der griechischen Hauptstadt Athen stark zugenommen hätten. Die Betroffenen gaben an, dass die Angreifer Mitglieder rechtsextremer Gruppierungen seien und sich darunter auch einzelne Mitglieder der rechtsextremen Partei Chrysi Avgi befunden hätten.
Die wiederholte strafrechtliche Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern aus Gewissensgründen setzte sich fort.
2012 befand der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Griechenland in drei Fällen des Verstoßes gegen die Europäische Menschenrechtskonvention für schuldig. Es handelte sich bei den Verstößen um die schlechten Haftbedingungen in den Gefängnissen von Ioannina, Korydallos und der Hafteinrichtung des Polizeipräsidiums von Thessaloniki.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung war 2012 in mehreren Fällen bedroht.
Delegierte von Amnesty International besuchten Griechenland im Januar, Juli und Oktober.
© Amnesty International
Amnesty International Report 2013 - The State of the World's Human Rights - Greece (Periodischer Bericht, Englisch)