Dokument #1273889
Amnesty International (Autor)
Amtliche Bezeichnung: Republik Simbabwe
Staatsoberhaupt: Robert Mugabe
Regierungschef: Morgan Tsvangirai
Todesstrafe: nicht abgeschafft
Einwohner: 12,8 Mio.
Lebenserwartung: 51,4 Jahre
Kindersterblichkeit: 89,5 pro 1000 Lebendgeburten
Alphabetisierungsrate: 91,9%
Misstrauen und Uneinigkeit in der Regierung der nationalen Einheit verhinderten nach wie vor die Umsetzung wichtiger Teile des Umfassenden Politischen Abkommens (Global Political Agreement). Dies führte zu erheblichen Verzögerungen bei der Erarbeitung einer neuen Verfassung und bei der Umsetzung der Reformen des Wahlsystems, der Medien und des Sicherheitssektors, die die Grundlage für Neuwahlen bilden sollten. Führende Vertreter der Sicherheitskräfte übten weiter Druck auf die beiden Parteien der Bewegung für den Demokratischen Wandel (Movement for Democratic Change - MDC) aus, indem sie maßgebliche Parteimitglieder verhaften ließen oder deren politische Aktivitäten rechtswidrig behinderten. Menschenrechtsverteidiger wurden in Polizeigewahrsam genommen und gefoltert, besonders nach der Welle von Protesten im Nahen Osten und Nordafrika. Die Polizei legte bei ihrer Arbeit nach wie vor Parteilichkeit an den Tag und ging nicht gegen Mitglieder von Präsident Mugabes Partei ZANU-PF vor, die tatsächliche oder vermeintliche politische Gegner schikanierten, einschüchterten oder zusammenschlugen.
Die Regierung der nationalen Einheit konnte die Erarbeitung einer neuen Verfassung 2011 nicht abschließen und lag damit bereits mehr als ein Jahr hinter dem Zeitplan. Hauptgründe waren fehlende finanzielle Ressourcen und Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien der Einheitsregierung. Nach wie vor lehnte die ZANU-PF Reformen des Sicherheitssektors und der Medien ab, wie sie im Umfassenden Politischen Abkommen vereinbart worden waren, das im September 2008 von den drei größten Parteien unterzeichnet worden war und das im Februar 2009 zur Bildung der Einheitsregierung geführt hatte. Am 24. November 2011 vergab die Rundfunkbehörde Sendelizenzen an die unter staatlicher Kontrolle stehenden Unternehmen Zimbabwe Newspapers Group und AB Communications. Beiden Medienkonzernen wird eine Nähe zur ZANU-PF nachgesagt.
Nach Verhandlungen mit dem südafrikanischen Staatspräsidenten Jacob Zuma, der von der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (Southern Africa Development Community - SADC) zum Vermittler berufen worden war, einigten sich die ZANU-PF und die beiden Parteien der MDC auf einen Fahrplan für die Wahlen. Die Umsetzung der Vereinbarungen wurde jedoch erneut durch Misstrauen und gegenseitige Verdächtigungen auf höchster Regierungsebene behindert. Im Juni sorgte Brigadegeneral Douglas Nyikayaramba für Unruhe, als er gegenüber der staatlich kontrollierten Tageszeitung Herald erklärte, die ZANU-PF und die Sicherheitskräfte seien unzertrennlich und Ministerpräsident Morgan Tsvangirai stelle ein Sicherheitsrisiko dar.
Bei ihrem Gipfeltreffen am 31. März 2011 rief die SADC-Troika für Politik, Verteidigung und Sicherheit dazu auf, die Gewalt in Simbabwe zu beenden und politische Gegner der ZANU-PF nicht mehr zu inhaftieren und einzuschüchtern.
Gerüchte über mögliche Wahlen im Jahr 2011, die hauptsächlich von Präsident Mugabe und Mitgliedern der ZANU-PF gestreut wurden, verstärkten die Spannungen in ländlichen Gebieten und Vorstädten, die 2008 besonders unter der von der Regierung geschürten Gewalt gelitten hatten. Es gab Berichte, wonach Anhänger der ZANU-PF tatsächliche oder vermeintliche politische Gegner schikanierten und einschüchterten, was in einigen Regionen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien führte. Die Polizei nahm dem Anschein nach ausschließlich Gegner der ZANU-PF in Haft, was den Eindruck verstärkte, dass sich Anhänger der ZANU-PF nicht an die Gesetze zu halten hätten.
Im April kam es im Vorfeld des Kongresses von Morgan Tsvangirais Partei (MDC-T) in Bulawayo zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen einigen Parteimitgliedern, die um Posten konkurrierten. Innerparteiliche Auseinandersetzungen wurden auch von Parteitagen der MDC-T in den Provinzen Manicaland, Masvingo, Bulawayo und Midlands gemeldet.
Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit
Die Polizei unterband zahlreiche Aktivitäten der beiden MDC-Parteien unter Verweis auf das Gesetz über öffentliche Ordnung und Sicherheit (Public Order and Security Act). So behinderte sie das gesamte Jahr über immer wieder MDC-Versammlungen oder griff nicht ein, wenn diese von Anhängern der ZANU-PF gestört wurden. In einigen Fällen setzte die Polizei übermäßige Gewalt ein oder drohte Gewalt an, obwohl die MDC-Versammlungen von den zuständigen Gerichten genehmigt worden waren. Dagegen wurden Versammlungen der ZANU-PF von der Polizei nicht behelligt. Bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien wurden nur in seltenen Fällen Anhänger der ZANU-PF festgenommen.
Die der ZANU-PF nahestehende Bande Chipangano beging in ihrer Hochburg Mbare sowie in anderen Stadtteilen von Harare zahlreiche Menschenrechtsverstöße, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Am 23. Juli 2011 drangen Mitglieder der Gruppe in das Parlamentsgebäude ein, störten eine öffentliche Anhörung der Menschenrechtskommission und schlugen mehrere Personen nieder, darunter einen Parlamentsabgeordneten und einen Journalisten. Obwohl Polizeibeamte vor Ort waren, wurde niemand festgenommen. Im Oktober störten ZANU-PF-Anhänger in den Städten Marondera und Mutare öffentliche Anhörungen des Parlaments über den Gesetzentwurf zur Änderung des Wahlrechts und sorgten so für weitere Verzögerungen im Prozess der Wahlrechtsreform.
Auch 2011 wurden hochrangige Mitglieder der beiden MDC-Parteien aus politischen Motiven festgenommen. Zahlreiche Anhänger der MDC wurden ebenfalls festgenommen und einige von ihnen auf der Grundlage politisch motivierter Anklagen monatelang in Untersuchungshaft gehalten. In den vergangenen Jahren endeten vergleichbare Fälle oft damit, dass die Inhaftierten freigesprochen wurden bzw. die Anklage fallengelassen wurde.
Menschenrechtsverteidiger mussten weiterhin mit willkürlicher Festnahme, rechtswidriger Haft, politisch motivierten Anklagen und sogar mit Folter in Polizeigewahrsam rechnen. Auf lokaler Ebene tätige Menschenrechtsverteidiger wurden von Mitgliedern der ZANU-PF schikaniert und eingeschüchtert. Die Übergriffe nahmen zu, als die ZANU-PF Gerüchte über mögliche Wahlen im Jahr 2011 in Umlauf setzte.
Am 19. Februar 2011 nahm die Polizei in Harare den Menschenrechtsverteidiger Munyaradzi Gwisai und 44 weitere Personen fest, die sich getroffen hatten, um über die Auswirkungen der Proteste in Ägypten und Tunesien zu diskutieren. Sie wurden über die gesetzlich zulässige Frist von 48 Stunden hinaus in Polizeigewahrsam gehalten und erst wenige Minuten, bevor sie am 23. Februar vor Gericht erscheinen mussten, darüber informiert, dass man ihnen Hochverrat zur Last legte. Medizinische Versorgung wurde ihnen ebenso verweigert wie der Zugang zu ihren Rechtsanwälten. Einige berichteten von Folterungen durch die Polizei. Am 7. März wurden 39 der Inhaftierten freigesprochen. Im Juli ließ die Staatsanwaltschaft den Anklagepunkt des Hochverrats fallen, der Vorwurf der "Verschwörung zum Begehen von Gewalttaten oder zur Anstiftung öffentlicher Gewalttaten oder zur Teilnahme an einer Versammlung mit der Absicht, öffentliche Gewalt, Landfriedensbruch und fanatische Übergriffe zu fördern" wurde jedoch aufrechterhalten.
Am 28. Februar wurden in Bulawayo sieben Mitglieder der Organisationen Women of Zimbabwe Arise (WOZA) und Men of Zimbabwe Arise (MOZA) festgenommen.
Berichten zufolge wurden sie in der Polizeiwache Bulawayo Central gefoltert. Zwei Tage später kamen sie gegen eine Kaution in Höhe von 50 US-Dollar wieder auf freien Fuß mit der Auflage, sich zweimal pro Woche bei der Polizei zu melden.
Am 1. März wurden in Bulawayo erneut 14 WOZA-Aktivistinnen festgenommen, als sie Versammlungen zu sozialen Themen abhielten. Sie wurden noch am selben Tag ohne Anklageerhebung wieder freigelassen.
Die Regierung hatte noch immer nicht dafür gesorgt, dass Tausende Kinder, die im Jahr 2005 von den massenhaften Zwangsräumungen betroffen waren, die als Operation Murambatsvina (Wiederherstellung der Ordnung) bekannt wurden, eine Schulbildung erhielten. In den beiden Siedlungen Hopley und Hatcliffe Extension, die von der Regierung für die Opfer der Zwangsräumungen in Harare errichtet worden waren, besuchten mehr als 2000 Kinder inoffizielle Grundschulen in behelfsmäßigen Gebäuden ohne ausgebildetes Lehrpersonal und ohne Schulmaterialien. Mehr als sechs Jahre nach den rechtswidrigen Zwangsräumungen waren die meisten Betroffenen noch stärker verarmt, da die Regierung keine wirksamen Hilfsmaßnahmen eingeleitet hatte.
Auch 2011 wurden in Simbabwe Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt.
Im Oktober erklärte Morgan Tsvangirai in einem Interview mit dem Sender BBC, er unterstütze die Rechte homosexueller Menschen. Daraufhin kritisierten ihn die staatlich kontrollierten Medien und versuchten, seine Erklärung politisch auszuschlachten und Hass gegen Homosexuelle zu schüren.
Vertreter von Amnesty International besuchten Simbabwe
im Januar, August, September, Oktober und November/
Dezember.
© Amnesty International
Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights (Periodischer Bericht, Deutsch)
Amnesty International Report 2012 - The State of the World's Human Rights (Periodischer Bericht, Englisch)